Hauptstraße

Neren bekam die fiesen Bemerkungen von Celestia so gut wie gar nicht mit. Er machte es sich in Hologicum so gut es ihm möglich war bequem und richtete sich irgendwie ein. Er fühlte sich in der Pendeluhr eingeengt und nicht gerade frei beweglich - nicht, dass es ihm in dieser engen Uhr jemals möglich gewesen wäre. Irgendwie schaffte er es noch mit Hilfe von diversen Verrenkungen, die ihn selbst immer wieder erstaunten, sich wenigstens ein Buch anzueignen, welches ihm nun auch immer aus den Ärmeln gefallen war.
Er besah sich das Cover des nicht allzu alt wirkenden Buches an. "Die Reise des großen und mächtigen Theodor Waka" lautete es dort in großen, geschwungenen Buchstaben. Ein Abenteuerroman, der auf den tatsächlichen Reisen eines großen Abenteuerers, dessen Name ihm momentan entfallen war, basierte. Ehe er anfing zu lesen, fragte er noch "Wann sind wir denn da?" in der Hoffnung, dass Hologicum die Nachricht sinngemäß und wortlautgemäß an die Außenwelt tragen möge.

Sie marschierte fröhlich summend und pfeifend durch die belebte Masse, Horologicum hatte so gesehen keine Probleme, mit ihr Schritt zu halten, er rempelte auch niemanden um. Und genau das ist der Vorteil~ Schnelligkeit, wuh!, dachte sie nicht minder fröhlich wie ihr hüpfender Schritt bei sich.
""Wann sind wir denn da?"", fragte Horologicum schließlich, "... fragt er." Die indirekte Rede, mehr oder weniger. Sie drehte ihren Kopf kurz um, um dann zu sehen, wie sich ihr Teamkollege sich innen mit einem Buch bequem gemacht hatte und wandte sich wieder nach vorne, gerade rechtzeitig, um einer Meute auszuweichen, die ihr entgegenkam. Sie sah sich um und überlegte. Noch war der Bahnhof entfernt, aber auch nicht mehr allzu fern. Oder so.
"Dauert noch", antwortete sie schließlich.
Sie musste sich vor dem Eintritt in den Bahnhof den Ort ihres Auftrages nochmal angucken, sie bekam den Namen nicht auf die Reihe.

Neren grummelte in Horologicum vor sich hin, der leicht hin und her schwankte, während sein Insasse tapfer versuchte, die Buchstaben zu lesen, die vor seinem Auge verschwammen. Er bekam auch Celestias Antwort mit und nickte einfach nur. "Weißt du denn nun endlich, was für ein Auftrag das jetzt ist?", setzte er eine zweite Frage nach. Es war doch nun doch nicht soo schwer, den Text zu lesen, wenn man draußen war, oder?
Und er wollte endlich Dampfnudeln essen dürfen. Dennoch versuchte er mit aller Kraft, diese Zeilen zu lesen. Wenn er nun schon in Horologicum festsaß, so wollte er diese Zeit auch intensiv nutzen. Die Erde... war... r-rot... oder so... Er bekam noch eine leichte Version eines Anfalls. Die Erde war rot und von Flammen bedeckt, als ich mich tapfer auf den Weg nach, bekam er letzten Endes doch auf die Reihe, doch der Stadtname war ihm ein leises Rätsel.
Masokor?
Von... Masochistisch? Er stutzte und starrte diese Buchstaben an.

Horologicum übergab die Nachricht des Eingesperrten wie immer wortlautgetreu und stakste hinter Celestia hinterher, die nun immer schneller ging, einfach, weil es ihrer Routine entsprach. Sie hatten schon genug Zeit vergeudet. Sie nickte eifrig, als sie im schnellem Zug noch einmal das flädrige Questblatt durchgelesen hatte.
"Kannst du vorlesen?", fragte sie ihren Teamkollegen statt eine Antwort auf seine Frage zu geben. Sie empfand es als unnötig, wenn sie gleich sowieso noch gleich ein wenig Bahn fahren mussten. Und so stierte sie weiter durch die Stadt, zielstrebig, noch vor dem nächsten Glockenschlag - in etwa ... acht Minuten - den Stadtrand und somit auch den Bahnhof zu erreichen. Sie war guten Mutes und eiferte weiter nach vorne, immer weiter, immer weiter.
Lalalala~, dachte sie bei sich, zwar nicht besonders gedankenvoll, aber es war einfach so. Sie sprang ein wenig, ihr Schritt federte und es wandten sich erneut Worte an den Hintermann (oder die Hintermänner).
"Übrigens geht es nach Masachkor~"

Seinen wirren Gedanken half es nicht besonders viel, als er den Namen der Stadt hörte. Das klingt ja ziemlich nach Masokor..., dachte er stillschweigend darüber nach, was diese wundersame Nachricht wohl bedeuten mag. Erst einige Sekundne später fiel es ihm auf. Wie Tomaten von den Augen fiel seine Blindheit von ihm ab, das Aufklatschen auf dem Boden konnte man schon förmlich hören, während sein Atem stockte und er immer mehr begriff, worum dies alles hier ging.
Er war im Inbegriff, eine Stadt zu besuchen, die schon in diesem Buch einen Namen hatte! Es war... er würde... er würde auf den Pfaden fiktiver Helden wandeln, die auf einer Tatsache gründeten! Er war vollkommen außer sich vor Entzückung, dass er ihre vorige Frage schon beinahe vergaß. "Was? Vorlesen?", entfuhr es ihm mit einem leisen Gefühl des Unwohlseins. Natürlich konnte er das. Aber er tat es ungern. Immer, wenn er vorlas, vergaß er sich in der Schönheit der niedergeschriebenen Worte und naja... Nein, lieber nicht. "Mittel. Wieso?", antwortete er nun darauf.

Erneut gab Horologicum seine Worte wieder und sie stampfte weiter nach vorne, immer auf dem Trip, noch schneller und noch schneller zu gehen, um auch ja vor dem Glockenschlag am Bahnhof zu sein. Ja, Ziele muss man doch haben, nicht?~
"Wir müssen da vorlesen, irgendwelchen Senioren~", antwortete Celestia gut gelaunt auf seine Frage, einzig und allein gut gelaunt, weil sie einen Trockenfleischstreifen in ihrem Mund und gut in der Zeit lag. Noch wenige Minuten, etwa vier oder sechs, und nur noch wenig Fußweg, bis sie am Bahnhof waren. "Ich hoffe, die köpfen uns nicht ..."
Tatsächlich war sie ein wenig besorgt, hatte sie noch nie großartig mit älteren (alten) Menschen zu tun gehabt.
Was, wenn sie ... unerwartet bösartig waren? Oder so ... fies? Sie wollte sich nicht ausmalen, wie es aussehen würde, wenn alte, 80-jährige Menschen mit ihren Gehstöcken auf den Boden eindreschen, aber gut ... man konnte nie wissen ...

Man merkte es kaum, doch als die Rede von Senioren kam, leuchteten seine Augen für einen Moment auf. "Wir lesen also den Senioren von Masachkor vor?", fragte er mit vor Erregung und Begeisterung bebender Stimme. Es war ihm, als würde ein Herzenswunsch erfüllt werden, wenn nicht sogar sein Lebenstraum und gleichzeitig wurde er erfüllt von einem warmen Gefühl.
Senioren standen schon immer ganz weit oben in der Rangliste der Leute, denen er Respekt zollte. Altehrwürdige, alte Menschen mit Lebenserfahrungen, an die er momentan einfach nicht reichte. Nein, niemand konnte alten Leuten das Wasser reichen! Kein Jungspund der Welt würde jemals diesen wundervollen Menschen, die so viele Jahre hinter sich hatten, das Handwerk legen können.
Er verschwendete auch nur keinen Gedanken daran, dass es auch garstige, alte Menschen gab.
Da fiel ihm noch etwas ein, denn er merkte, dass sie dem Bahnhof immer näher kamen. "Wie lange dauert die Fahrt?" Schließlich stand noch die Teambesprechung an, er hoffte, sie hatten noch genügend Zeit.

Celestia nickte skeptisch, als sie diese derartige Vorfreude an der Wortwahl ihres Teamkameraden herauslesen konnte. Achselzuckend ging sie weiter, ohne auf ihren Teamkameraden groß weiter einzugehen, lediglich ein knappes "Jepp." war ihr noch zu entlocken.
Es waren nur noch drei Minuten bis zum Glockenschlag, doch ehrlicherweise: Sie waren nur noch einen Katzensprung von dem Bahnhofsgebäude entfernt, man hörte schon die lauten Durchsagen, die quer durch das ganze Gebäude hallten und die vielen hastenden und unruhigen Menschen, ja, die sah man auch schon.
"Weiß nicht, vielleicht ... zwei, drei oder vier Stunden?", antwortete sie auf seine Frage. Sie war sich selbst aber auch extrem unsicher, wusste sie doch überhaupt nicht, wo dieses Masachkor liegen sollte.
Wie dem auch sei, sie erreichten das Ende der Hauptstraße und konnten sich nun bequem per Zug nach Masachkor geleiten lassen.
Nun ... zumindest soweit wie ein Zug sie tragen konnte ...

TBC :: Quest "Vorlesestunde", B-Rang

Neren merkte wohl, dass seine Teamkameradin wegen seiner ungestümen Begeisterung wenig begeistert war und er hielt sich ein wenig zurück. Es dauerte schließlich noch vielleicht 5 Stunden bis sie dieses geheimnisvolle Masachkor erreicht haben würden. Bis dahin hielt er sich noch zurück. "Bis zur Stadt selbst können wir nicht fahren, oder?", fragte er sicherheitshalber nochmal nach, einer Erinnerung folgend. Das würde wohl nun auch wieder nicht so tragisch sein, oder?
Er ließ seinen Blick nochmal schweifen, durch das Glas Horologicums hindurch. Er sah eilende Menschen, einen großen Turm. Hörte das dumpfe Schlagen der Glocken und Durchsagen, die ihm wie gewispert erschienen.
Sie waren am Bahnhof angelangt und würden nun ihre erste B-Rang-Quest erledigen!

TBC - Quest "Vorlesestunde", B-Rang